D5a12 - Gelten der Bereitschaftsdienst, die Arbeitsbereitschaft und die Rufbereitschaft als Arbeitszeit?

Der Bereitschaftsdienst, die Arbeitsbereitschaft und die Rufbereitschaft sind nicht vom Arbeitsgesetzbuch vorgesehen, welches die Arbeitszeit lediglich als Zeit, während derer der Arbeitnehmer seinem Arbeitgeber zur Verfügung steht, definiert.

Nach der europäischen Rechtsprechung muss zwischen zwei Fällen unterschieden werden:

  • Wenn der Arbeitnehmer verpflichtet ist an einem bestimmten Ort (Arbeitsort) anwesend zu sein, um im Bedarfsfall zur Verfügung zu stehen, dann ist diese Zeit als Arbeitszeit anrechenbar. Es kann sich hierbei um Bereitschaftsdienst oder um Arbeitsbereitschaft handeln.
  • Wenn der Arbeitnehmer auf Abruf zur Verfügung stehen muss, beispielweise per Telefon, er sich aber an seinem Wohnsitz aufhalten kann oder an einem anderen von ihm frei bestimmten Ort, dann handelt es sich hierbei nicht um Arbeitszeit, sondern um Rufbereitschaft. Im Ausnahmefall wurde die Zeit, die ein Arbeitnehmer an seinem Wohnsitz verbringt, mit der Pflicht dem Ruf zum Einsatz seines Arbeitgebers binnen 8 Minuten Folge zu leisten, was erheblich die Möglichkeiten andere Aktivitäten wahrzunehmen beschränkt, als Arbeitszeit angesehen.

Bereitschaftsdienst

Ja, der Bereitschaftsdienst gilt als Arbeitszeit.

Bereitschaftsdienst liegt vor, wenn der Arbeitnehmer verpflichtet ist, an einem von seinem Arbeitgeber bestimmten Ort anwesend zu sein, in dessen Betrieb oder außerhalb, und sich bereit zu halten, den Dienst auf Anfrage des Arbeitgebers aufzunehmen, aber es ist ihm erlaubt, sich zu erholen oder sich nach eigenem Belieben zu beschäftigen, solange seine beruflichen Leistungen nicht erforderlich sind.

Selbst wenn der Arbeitgeber die Dienste des Arbeitnehmers schlussendlich nicht in Anspruch nimmt und letzterer demnach keinerlei Arbeit verrichtet, gilt der Bereitschaftsdienst in seiner Gänze als Arbeitszeit, welche als solche vom Arbeitgeber zu vergüten ist.

Arbeitsbereitschaft

Ja, die Arbeitsbereitschaft gilt als Arbeitszeit.

Wenn der Arbeitnehmer an seinem Arbeitsort anwesend und verfügbar ist, seinem Arbeitgeber zwecks der Bereitstellung seiner professionellen Dienste zur Verfügung steht, dann gilt die Arbeitsbereitschaft als Arbeitszeit.

Arbeitsbereitschaft liegt vor, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber am Arbeitsplatz zur Verfügung stehen und sich ständig bereithalten muss, um im Bedarfsfall von sich aus tätig werden zu können. Selbst wenn der Arbeitgeber die Dienste des Arbeitnehmers schlussendlich nicht in Anspruch nimmt und letzterer keinerlei Arbeit verrichtet, gilt die Arbeitsbereitschaft in seiner Gänze als Arbeitszeit, welche als solche vom Arbeitgeber zu vergüten ist.

Rufbereitschaft

Prinzipiell gilt die Rufbereitschaft nicht als Arbeitszeit.

Rufbereitschaft liegt vor, wenn der Arbeitnehmer nicht verpflichtet ist, sich an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort bereitzuhalten, sondern es genügt, dass er jederzeit erreichbar ist, um seine beruflichen Aufgaben kurzfristig auf Abruf wahrnehmen zu können. Der Arbeitnehmer kann sich also während der Rufbereitschaft frei bewegen und privaten Aktivitäten widmen.

Jedoch hat der EuGH 2021 im Ausnahmefall entschieden, dass die Zeit der Rufbereitschaft als Arbeitszeit gilt, wenn eine Gesamtbeurteilung aller Umstände des Einzelfalls ergibt, dass die dem Arbeitnehmer während der Bereitschaftszeit auferlegten Einschränkungen von solcher Art sind, dass sie seine Möglichkeit, dann die Zeit, in der seine beruflichen Leistungen nicht in Anspruch genommen werden, frei zu gestalten und sie seinen eigenen Interessen zu widmen, objektiv gesehen ganz erheblich beeinträchtigen.

Beispiele zu untersuchender Umstände bei der Feststellung, ob die Rufbereitschaft als Arbeitszeit bezeichnet werden kann:

  • Eine mehr oder weniger kurze Frist, die dem Arbeitnehmer zusteht, um seinen Arbeitsplatz zu erreichen (zum Beispiel mit der Erfordernis eine Einsatzuniform zu tragen);
  • Die durchschnittliche Häufigkeit der Einsätze im Verlauf der Zeit der Rufbereitschaft.

Es wurde außerdem von den europäischen Richtern daran erinnert, dass es bei einer solchen Beurteilung unerheblich ist, dass es in der unmittelbaren Umgebung des Arbeitsorts wenig Möglichkeiten für Freizeitaktivitäten gibt.

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