Externe Gewalt

Begriffsbestimmungen

Die europäische Agentur für Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz definiert externe Gewalt als „Beleidigungen oder Drohungen oder physische oder psychische Angriffe gegen einen Menschen an seinem Arbeitsplatz durch Unternehmensexterne, einschließlich Kunden, die die Gesundheit und Sicherheit oder das Wohlbefinden gefährden.“

Risikofaktoren

Externe Gewalt ist ein komplexes Thema, das sich aus einer Reihe von Faktoren zusammensetzt, die je nach Situation nicht immer das gleiche Gewicht haben.

Dennoch können vorrangig 4 potenzielle Ursachen genannt werden:

  • Soziodemografische Faktoren: Es hat sich herausgestellt, dass Menschen mit wenig Erfahrung am häufigsten externer Gewalt ausgesetzt sind.
  • Sozioökologische und kulturelle Faktoren: Die Schwächung des sozialen Zusammenhalts, das Verschwinden von engen Beziehungen, die vermehrt auftretenden Schwierigkeiten, Arbeit zu finden, die Unsicherheit und die Zunahme von Stress machen viele Menschen jähzorniger und intoleranter.
  • Situative Faktoren: die Dienstleistungsbranche, Berufe mit Kundenkontakt, mit Ordnungsaufgaben und diejenigen, die mit Geld und Wertsachen umgehen, sind häufiger von externer Gewalt betroffen.

Organisatorische Faktoren: Das Dienstleistungsverhältnis zum Kunden, die Funktionsweise des Unternehmens und die Organisation der Arbeit können Vehikel für Unzufriedenheit bzw. Aggressionsgefahr sein.

Präventionsmaßnahmen im Unternehmen

  • Schulung des Personals: Dialog- und Kommunikationstechniken tragen dazu bei, die Gefahr von Gewalt zu entschärfen. Die Unternehmen müssen daran arbeiten, ihre Angestellten, die oft mit der Gefahr externer Gewalt konfrontiert sind, vorzubereiten und zu schulen, damit sie in der Lage sind, potenziell konfliktbehaftete Beziehungen zu bewältigen. Abgesehen von psychopathologischen Störungen oder Trunkenheit kann die Aggression, wenn die Gefahr rechtzeitig erkannt wird, oft   im Ansatz vermieden oder ein Kompromiss gefunden werden. Schulungen in der Konflikt- und Stressbewältigung für das gefährdete Personal und Schulungen zum frühzeitigen Erkennen von potenziellen Aggressoren werden von spezialisierten Beratungsunternehmen angeboten.
  • Arbeitsorganisation: Die Organisation der Arbeit muss überdacht werden, denn wenn sie schlecht durchdacht ist, kann sie die Aggressivität der Kunden steigern, besonders wenn sie
    • die Angestellten allein im Kundenkontakt lässt
    • häufige Qualitätsmängel nach sich zieht, wodurch die Anzahl unzufriedener Kunden steigt
    • den Kunden mündlich oder schriftlich unklare, unvollständige, missverständliche, falsche oder widersprüchliche Informationen von verschiedenen Abteilungen liefert
    • übertriebene Verkaufsversprechen macht, die die Arbeitnehmer gegenüber den Kunden in eine heikle Lage bringen und sie dazu zwingen, allein mit dem Kundenunmut umzugehen, für den sie nicht verantwortlich sind
    • keinen Handlungsspielraum lässt, um über eine Entschädigung, eine Rückerstattung, ein Guthaben, eine kostenlose Rücknahme zu verhandeln ...
  • Gestaltung der Arbeitsplätze:  Es gibt kein Allheilmittel zur Prävention. Die besonderen Eigenheiten jeder Arbeitsumgebung müssen berücksichtigt werden, um die Arbeitsräume gemäß dem Aggressionsrisiko zu gestalten und einzurichten.
    • Zugangskontrolle, Einrichtung einer Eingangsschleuse, Anbringung von Schutzwänden
    • Einrichtung von kollektiven Schutzausrüstungen oder -vorrichtungen (Video oder Funküberwachungssysteme, Alarm- und Warnvorrichtungen, Verbundglas, Metalldetektoren)
    • Automatische Kassen und Tresore
    • Gute materielle Bedingungen beim Empfang (bequemes Wartezimmer, aufmerksame Empfangssekretärin, unmissverständliche Beschilderung, ...)
    • Geeignete und ausreichende Beleuchtung, außen gesichert gegen mutwillige Beschädigung.
  • Betreuung der Opfer:  Häufig mit externer Gewalt konfrontierte Unternehmen müssen ein (psychologisches, juristisches) Begleit- und Betreuungsverfahren für die Opfer vorsehen, um die psychologischen Folgen der Aggression einzudämmen.
    • Einrichtung eines Symptomscreenings, um unmittelbare Auswirkungen zu dokumentieren. Es ist wichtig, das Opfer zu beruhigen, denn es sollte sich nicht für diese Symptome schämen müssen, die nur äußerst akute Stressreaktionen, die angenommen werden müssen, und nicht Zeichen von Schwäche sind. Erst nach den ersten Stunden oder Tagen nach dem Vorfall kann das Gehirn das Ereignis verarbeiten und es in das Erlebte des Menschen integrieren, was sich in einem Nachlassen der Symptomintensität zeigt.
    • Prävention gegen Alkohol und Benzodiazepin (max. 2 Tage!), die die Verarbeitung des Vorfalls nicht begünstigen, sondern verzögern.
    • Unterstützung der Opfer bei polizeilichen Befragungen
    • Nach 4 Wochen Überweisung der Patienten zu einer speziellen Therapie gegen posttraumatischen Stress, um eine dauerhafte Arbeitsunfähigkeit zu vermeiden.
    • Betreuung durch Psychologen oder Psychiater in Zusammenarbeit mit Arbeitsmedizinern, die die Opfer einladen können, zwei Wochen nach dem traumatischen Erlebnis erneut vorstellig zu werden, um Bilanz zu ziehen. Sollten die Symptome nicht abklingen oder sich verschlechtern, Überweisung des Patienten zu einem Spezialisten für Psychotraumatologie. Wenn die Symptome abklingen, der Patient aber nicht in der Lage ist, seine Arbeit wieder aufzunehmen, Unterstützung des Opfers durch eine ressourcenorientierte Therapie.
  • Rolle des Arbeitsmediziners:  Der Arbeitsmediziner ist einer der Akteure zur Prävention von Gewalt am Arbeitsplatz. Neben seiner Aufgabe der Information und Sensibilisierung der mit diesem Risiko konfrontierten Arbeitnehmer oder Arbeitgeber kann er sich an der Ausarbeitung von geeigneten Schulungsmaßnahmen und Sicherheitsstrategien im Unternehmen und an den betroffenen Arbeitsplätzen beteiligen. Er kann dazu beitragen, die Begleitung und psychologische Betreuung der Opfer umzusetzen, und darf das „Debriefing“ vornehmen, das dem Opfer unmittelbar nach dem Angriff individuell angeboten wird.
    Wenn es zu einem richtigen psychischen Trauma kam, das eine berufliche Umorientierung erfordert, muss der Arbeitsmediziner erkennen, ob diese Unfähigkeit vorübergehender oder endgültiger Art ist. Der für die Gesundheit am Arbeitsplatz zuständige Mediziner kann das Unternehmen dabei unterstützen, das Standarddokument zur Risikobewertung am Arbeitsplatz zu überarbeiten. Das Unternehmen muss nämlich vorab die Risiken bewerten, denen die Arbeitnehmer ausgesetzt sein können, insbesondere mit einer Darlegung der allgemeinen Unternehmensorganisation und einer Untersuchung der betroffenen Arbeitsplätze, der Anordnung der Räumlichkeiten, der Arbeitszeiten und Arbeitsverfahren, um die wichtigsten Risikofaktoren für Aggression herauszuarbeiten.
  • Bedeutung der Vorgesetzten:  Die Vorgesetzten sollen das Opfer beruhigen und eine große Bereitschaft zum Zuhören zeigen. Es ist unerlässlich, das Zugehörigkeitsgefühl zum Team wiederherzustellen, denn das Opfer wird sich sonst plötzlich aus seinem normalen Arbeitsumfeld ausgeschlossen fühlen.

Lösungen für Opfer externer Gewalt

Die 4K-Regel:

  • Nach außen hin konzentriert und ruhig bleiben. Eine neutrale Position und einen ruhigen Tonfall beibehalten.
  • Kultiviert bleiben und den Kunden nicht unterbrechen.
  • Sich konstant zeigen und während des ganzen Gesprächs die Gesprächsführung behalten.
  • Konsequent sein und den eigenen Standpunkt behaupten; nicht zögern, die oft unzutreffenden Äußerungen des Gesprächspartners zurückzuweisen

Dem unzufriedenen Kunden nichts überlassen und ihn nichts sehen lassen, denn alles kann als Waffe verwendet werden.

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